Chinas Kohleverbrauch sinkt, aber das klimapolitische Signal fehlt noch

Kaum ein Experte hatte damit gerechnet, dass Chinas Kohleverbrauch 2014 sinken würde. Aber das war der Fall. Im vergangenen Jahr sind die globalen CO2–Emissionen im Energiesektor dadurch nicht angestiegen. Nun deuten erste Zahlen an, dass sich die Entwicklung verstetigt: Auch 2015 könnte China weniger Kohle verbrauchen als im Vorjahr.

Es ist ein Zitat, das Energie-Analysten auf der ganzen Welt überrascht: „In 2015 wird die Kohlenachfrage weiter sinken, wegen des langsameren Wachstums der chinesischen Realwirtschaft, den stärkeren nationalen Kontrollen des Energieverbrauchs und der schnelleren Strukturänderung des nationalen Energieverbrauchs.“

Der Satz stammt aus dem Jahresbericht 2014 der China Shenhua Energy Company, nach eigenen Angaben weltgrößter integrierter Energiekonzern auf Kohlebasis (Abbau, Stromerzeugung, Transport). Zudem heißt es in dem Bericht, dass der Verkauf und Abbau von Kohle bei Shenhua 2015 um jeweils rund zehn Prozent sinken soll. Die Nachrichtenagentur Reuters schreibt, immer mehr Analysten glaubten nun, die Volksrepublik werde bereits vor 2020 ihren maximalen Verbrauch an Kohle erreichen. Denn 2015 wäre bereits das zweite Jahr in Folge, in dem der Bedarf des Landes sinkt.

Das ist eigentlich eine gute Voraussetzung für eine engagierte Klimapolitik, noch aber fehlt ein offizielles Klimaziel des weltgrößten Emittenten. China hat den Vereinten Nationen im Rahmen der derzeit laufenden Klimaverhandlungen noch nicht mitgeteilt, wie stark es seine CO2-Emission bis 2030 reduzieren will.

Weil China für die Hälfte des weltweiten Kohleverbrauchs verantwortlich ist, hat die Nachricht gravierende Auswirkungen auf den globalen CO2-Ausstoß. Das zeigen vorläufige Daten der Internationalen Energieagentur (IEA) zu den weltweiten Klimagas-Emissionen im Energiesektor. Diese sind 2014 nicht weiter angestiegen. In den letzten 40 Jahren ist das zwar schon dreimal vorgekommen, allerdings waren damals Wirtschaftskrisen die Ursache dafür. Nicht so in 2014.

Entkopplung von Wachstum und CO2-Ausstoß?

Im Gegenteil, die Weltwirtschaft wuchs um drei Prozent. Erstmals entkoppelte sich also weltweit das Wachstum vom Ausstoß an Klimagasen. Zurückzuführen ist das allerdings nicht auf eine globale Klimapolitik, sondern auf strukturelle Veränderungen im Energiesektor – die IEA nennt explizit China als einen Grund. Eine Dekade lang wuchs der Kohleverbrauch in dem Land um jährlich 8,7 Prozent – nun sinkt er.

Die Frage ist, ob die Entwicklung in China von Dauer ist. Darauf deutet einiges hin, wie schon im Eingangszitat zu lesen: Die Regierung in Peking ändert ihre Politik grundlegend. Das Motiv ist allerdings nicht in erster Linie das Erreichen von Klimazielen: „Die Kohlepolitik in China ist Umweltpolitik, keine Klimapolitik. Die Regierung will vor allem das Smog-Problem in den Griff bekommen“, sagt Steffen Bukold, Analyst der Beratungsfirma Energy Comment.

Er nennt einige Sonderfaktoren, die den Kohleverbrauch in China senken: Wegen starker Regenfälle konnten 2014 wieder verstärkt billigere Wasserkraftwerke genutzt werden, zudem versucht die Regierung, durch Qualitätskontrollen hochwertigere Kohle mit einem höheren Brennwert zu importieren – was die verbrauchte Menge senkt. Ein Punkt, den auch der Shenhua-Jahresbericht anführt.

Dort sind aber auch Zahlen zu dem strukturellen Wandel zu finden: So hat die Volksrepublik im vergangenen Jahr zwar umgerechnet 14,2 Milliarden Euro in fossile Kraftwerke investiert, gleichzeitig aber 14,3 Milliarden in Wasserkraft, 14,8 Milliarden in Windkraft, dazu kommen, laut Bloomberg New Energy Finance, fast 37 Milliarden Euro in Solarkraft.

Insgesamt spricht Bukold von einer „neue Phase der Industrialisierung“ in China. Das Land steuert weg vom energieintensiven Wachstum etwa durch die Schwerindustrie. Tatsächlich wird nach IEA-Zahlen knapp über 40 Prozent der Kohle in China nicht verstromt, sondern in energieintensiven Industrien wie der Zement- oder Stahlproduktion zur Wärmeerzeugung genutzt.

Stahlindustrie in China wächst nicht mehr

Genau diese Industriezweige sind es, die derzeit nicht mehr wachsen. So hat sich die Produktion von Stahl in China von 1983 bis 2013 zwar um den Faktor 20 auf fast 822.000 Tonnen erhöht, 2014 stagnierte die Branche allerdings, 2015 könnte sie sogar leicht schrumpfen. Bereits im vergangenen Jahr hat Greenpeace in einem Report den grundsätzlichen Wandel in der chinesischen Kohlepolitik beschrieben. Immer wieder werden Kohlekraftwerke wegen der ausufernden Umweltverschmutzung einfach abgeschaltet.

An der London School of Economics and Political Science kommt eine Gruppe um den Ökonomen Nicholas Stern in einer im März veröffentlichten Studie deshalb zu dem Schluss, China folge nun grundsätzlich einem „neuen, normalen Entwicklungsmodell“. „Man kann heute mit erstaunlicher Sicherheit sagen, dass der Kohleverbrauch und die CO2-Emissionen aus der Stromerzeugung in China einen strukturellen Höhepunkt erreicht haben“, heißt es in der Studie.

Unsicher seien hingegen die Trends bei den Emissionen aus dem Transportsektor, der Industrie, Landwirtschaft und anderer Quellen. Dennoch sehen die Analysten es als wahrscheinlich an, dass der Höhepunkt von Chinas Klimagasemissionen eher in den frühen 2020er- Jahren erreicht wird als erst 2030. Das Jahr 2030 hatte das Land kürzlich in einer Vereinbarung mit den USA in Aussicht gestellt – und bereits dieser Schritt war weltweit als Fortschritt im Klimaschutz bezeichnet worden.

Weiterführende Informationen

Jahresbericht Shenhua Energy [pdf, 3,7 MB]

Reuters-Text zu Chinas Kohleverbrauch

Meldungen von Klimazielen bei der UNFCCC

Global Trends in Renewable Energy Finance [pdf, 3,9 MB]

Daten zur globalen Stahlproduktion [pdf, 28,2 KB]

Sinkende chinesische Stahlproduktion 2015, Bloomberg

The End of China’s coal boom, Greenpeace

China schaltet Kohlekraftwerke ab, Newsweek

Analyse zu Chinas neuem Entwicklungsmodell, u.a. London School of Economics [pdf, 620 KB]