Nachhaltigkeitspolitik: Sieben Fragen. Sieben Antworten.

Nachhaltigkeitspolitik – Warum braucht man sie überhaupt?

Der Welterschöpfungstag, der Earth Overshoot Day rückt Jahr für Jahr weiter nach vorne: 2015 hatte die Menschheit am 13. August sämtliche Ressourcen für das Jahr aufgebraucht – und damit sechs Tage früher als ein Jahr zuvor. 1987 lag der Earth Overshoot Day noch am 19. Dezember. Das hat das Global Footprint Network errechnet, eine internationale Nachhaltigkeitsorganisation.

Demnach lebt der Mensch so als hätte er 1,6 Erden, also auf Pump. Er verbraucht mehr als nachwächst oder sich regeneriert: Wasser, Brennmaterial, Fische oder Getreide. Dabei steigt der Konsum noch, die globale Mittelschicht wächst, Schwellenländer holen auf. Zudem schätzen die Vereinten Nationen, dass im Jahr 2050 knapp zehn Milliarden Menschen auf der Welt leben, derzeit sind es 7,2 Milliarden.

Die Übernutzung der Erde bleibt nicht ohne Folgen. Die Atmosphäre heizt sich auf, Meere sind überfischt, Trinkwasser und fruchtbare Böden werden rar. Arten sind vom Aussterben bedroht. Dies zeigen auch die Umweltberichte des UN-Umweltprogramms. So weiter machen wie bisher kann die Menschheit nicht, Wissenschaftler und Politiker weltweit denken um. Sie wollen Ökologie und Soziales mit der Wirtschaft verknüpfen, heißt: eine nachhaltige Entwicklung.

Nachhaltigkeitspolitik – Was tut sich weltweit?

Es war ein Meilenstein, als die Vereinten Nationen im September 2015 die Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung, die sogenannten Sustainable Development Goals, SDGs, verabschiedet haben. 17 Ziele, 169 Unterziele, um etwa Armut zu beseitigen, medizinische Versorgung, Bildung und Gleichstellung der Geschlechter zu verbessern und den Klimawandel zu stoppen. Auch sollen Bestechung und Korruption bekämpft und eine weitere Industrialisierung gefördert werden, aber in „nachhaltiger“ Art.
Diese Anforderungen gelten für alle Länder. Das hat es zuvor noch nicht gegeben. Die sogenannten Milleniumsziele, die 2000 beschlossen worden waren, betrafen nur Entwicklungsländer, gingen die Armutsbekämpfung eher isoliert an. Nun sind alle Regierungen gefordert, die sozial-ökologische Transformation der Volkswirtschaften voranzubringen, auch die deutsche.

Nachhaltigkeitspolitik – Was macht Deutschland?

Das entscheidende Instrument in Deutschland ist die nationale Nachhaltigkeitsstrategie. Sie wurde im Jahr 2002 mit dem Titel „Perspektiven für Deutschland“ von der Bundesregierung beschlossen. Seither muss sich jede Bundesregierung daran messen lassen, ob sie Rechnung trägt für Generationengerechtigkeit, Lebensqualität, sozialen Zusammenhalt und internationale Verantwortung.

Die Fortschritte werden alle zwei Jahre vom Statistischen Bundesamt in einem Indikatorenbericht nachvollzogen. Alle vier Jahre werden Ziele, Indikatoren neu beurteilt und überarbeitet. Konkret gibt die Strategie derzeit 38 Ziele vor. Zum Beispiel sollen die Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken, der Anteil erneuerbarer Energien am Bruttoendenergieverbrauch soll bis 2050 auf 60 Prozent steigen.

Im Jahr 2016 erneuert Deutschland seine nationale Strategie. Vor allem geht es darum, sie mit der globalen Agenda 2030 für die nachhaltige Entwicklung in Einklang zu bringen. Bürger, Parteien und Verbände sind zur Mitarbeit aufgerufen.

Nachhaltigkeitspolitik – Woher kommt die Idee?

Wer es mit der Nachhaltigkeitspolitik ernst meint, muss sich um ein gutes Leben für alle kümmern. „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, welche die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne die Fähigkeit zukünftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.“ So hat die Brundtland-Kommission der UN 1987 in ihrem Bericht „Our Common Future“ den modernen Nachhaltigkeitsbegriff geprägt. Ihn hat die Staatengemeinschaft dann auf dem Erdgipfel in Rio de Janeiro 1992 als neues Weltleitbild anerkannt – und eine „dauerhaft umweltgerechte Entwicklung“ versprochen.
Damit griff sie auf eine Regel aus der Forstwirtschaft des 18. Jahrhunderts zurück. Hans Carl von Carlowitz forderte 1713 in seiner „Sylvicultura oeconomica“, eine „continuierlich beständige und nachhaltende Nutzung“ der Wälder zur Vermeidung einer „große(n) Noth“. Im Klartext: Nicht mehr Holz fällen als nachwächst.

Nachhaltigkeitspolitik – Wer macht was in Deutschland?

Nachhaltigkeit ist in Deutschland eine Sache für den Staat, aber auch für Unternehmen und Institutionen jeder Art. Das Grundgesetz legt zwar die „Nachhaltigkeit“ nicht ausdrücklich als Staatziel fest. Aber der Staat ist beauftragt, „auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung“ zu schützen.
Nachhaltigkeit ist eines der wenigen Themen, das nicht in einem Ministerium, sondern direkt im Kanzleramt angesiedelt sind. Sechsmal im Jahr lädt es den Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung zu sich ein. In dem auch als Green Cabinet bekannten Gremium sind alle Ministerien vertreten. Die Leitung obliegt immer dem Kanzleramtschef. Gemeinsam beraten sie dann etwa über nachhaltige Finanzen, nachhaltigen Konsum oder nachhaltige Stadtentwicklung, aber auch darüber, wie die Nachhaltigkeitsstrategie weiter zu entwickeln ist.
Seit 2004 wird im Bundestag darüber hinaus ein parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung, kurz: PBnE eingesetzt. Jedes Gesetzvorhaben der Bundesregierung klopft dieser danach ab, ob die Prinzipien der Nachhaltigkeit nicht verletzt werden. Er versteht sich als „Wachhund“. Mit Positionspapieren und Anhörungen stößt er zudem Debatten an.
2001 rief der damalige SPD-Bundeskanzler Gerhard Schröder bereits den Rat für Nachhaltige Entwicklung ins Leben, den RNE. Zu seiner Regierungszeit wurde auch die nationale Nachhaltigkeitsstrategie auf den Weg gebracht. In den RNE beruft die Bundesregierung immer für drei Jahre 15 Personen aus dem öffentlichen Leben. Sie beraten die Regierungsmannschaft, sie schlagen vor, wie die nationale Nachhaltigkeitsstrategie weiter entwickelt werden sollte und stärken die öffentliche Debatte über Nachhaltigkeit.
Obendrein hat das Gros der Bundesländer eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie, für die zumeist das jeweilige Umweltministerium zuständig ist. Einige Länder haben einen Beirat für nachhaltige Entwicklung, andere haben Landeskonferenzen für nachhaltige Entwicklung gegründet.
Nachhaltigkeit ist längst auch ein Thema für die Wirtschaft. So hat der Bundesverband der Deutschen Industrie zum Beispiel Econsense, Forum Nachhaltige Entwicklung der Deutschen Wirtschaft, gegründet. Darüber hinaus gibt es die Unternehmensinitiative Stiftung 2 Grad, den Bundesdeutschen Arbeitskreis für Umweltbewusstes Management, kurz: B.A.U.M. oder Unternehmensgrün, den Bundesverband der grünen Wirtschaft. Ein internationaler Zusammenschluss von Unternehmen ist das World Business Council for Sustainable Development.

Nachhaltigkeitspolitik – Was sagen die Kritiker?

Der Begriff „Nachhaltigkeit“ kann auch in der Werbung von Unternehmen vorkommen, denen „Greenwashing“ vorgeworfen wird. Darum hält ihn mancher für unscharf. Die Ziele der Nachhaltigkeitspolitik sind mit den SDGs aber international und auch national eindeutig. Die globalen Versprechen werden vor allem dafür kritisiert, dass sie freiwillig sind und jeder Staat selbst über die Maßnahmen zur Erreichung entscheiden kann.
Auch ist umstritten, wie die Umsetzung in ärmeren Ländern finanziert werden kann. Ein Großteil des Geldes soll auch aus der Wirtschaft kommen. Die evangelische Hilfsorganisation Brot für die Welt etwa beklagt, dass die Industriestaaten nicht verbindlich zusagen, den Anteil ihrer öffentlichen Entwicklungshilfe am Bruttoinlandsprodukt auf 0,7 Prozent zu erhöhen – auch wenn es seit langem versprochen ist. Sie warnt davor, sich zu sehr auf private Geldgeber zu verlassen.

Nachhaltigkeitspolitik – Wie geht es weiter?

Die meisten Industriestaaten sind nach einer Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2015 „noch nicht fit für das neue Nachhaltigkeitsversprechen der Weltgemeinschaft“, also für die Agenda 2030 der Vereinten Nationen. Die Stiftung hat ein Ranking der 34 OECD-Staaten gemacht. Danach sieht es am besten bei den vier skandinavischen Ländern aus. Deutschland landet hinter ihnen und der Schweiz auf dem sechsten Platz. Alle Staaten werden Fortschritte machen müssen: Jedes Jahr berät das High Level Political Forum der Vereinten Nationen darüber, wie die Umsetzung der Sustainable Development Goals vorangeht. Deutschland gehört zu den 21 Ländern, die 2016 bereits über den Stand ihrer Arbeiten zur Umsetzung der Agenda 2030 berichten.