Wie Unternehmen zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichtet werden sollen

Nach monatelangem Ringen einigte sich die Bundesregierung auf einen gemeinsamen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte. Kritikern fehlt vor allem Verbindlichkeit.

Rund zwei Jahre hat es gedauert, bis aus einem Versprechen ein konkreter Plan wurde. Unter der Federführung des Auswärtigen Amtes hat die Bundesregierung Ende Dezember den Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet.

„Mit dem Nationalen Aktionsplan formuliert die Bundesregierung ihre Erwartung, dass Unternehmen ihre menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten umsetzen“, sagte die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD), anlässlich der Beratungen über den Aktionsplan im Bundeskabinett. Deutschland unterstreiche damit seine Bereitschaft, Unternehmen dabei auch zu unterstützen.
Neben dem Auswärtigen Amt waren das Arbeitsministerium, das Justizministerium sowie die Ministerien für Wirtschaft, Entwicklung und Umwelt an der Ausarbeitung beteiligt. Verschiedene Nichtregierungsorganisationen, die Gewerkschaften, aber auch Vertreter der Wirtschaft nahmen an den Beratungen teil. Basis für den Aktionsplan sind die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen. Im Juni 2011 verabschiedete der UN-Menschenrechtsrat die gemeinsame Vereinbarung.

Mehr Regeln für Firmen, mehr Hilfen für Betroffene

Zentrale Punkte im nationalen Aktionsplan sind beispielsweise die Abgabe einer Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte durch Unternehmen. Außerdem soll ein Verfahren festgelegt werden, um tatsächliche und potenziell nachteilige Auswirkungen unternehmerischen Handelns auf die Menschenrechte zu ermitteln. Bis 2020 sollen die Hälfte aller Großunternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern menschenrechtliche Sorgfaltspflichten umsetzen – das sind rund 6.000 Firmen.

Die Bundesregierung will Firmen auch in der Berichterstattung über soziale und ökologische Standards bei ihren Auslandsgeschäften bestärken. Außerdem ist ein Beschwerdemechanismus für Betroffene vorgesehen. Mit dessen Hilfe sollen Verstöße nicht nur registriert, sondern künftig auch vermieden werden.

Besonderes Augenmerk legt die Bundesregierung im Aktionsplan auf Unternehmen, an denen der Bund beteiligt ist. Demnach bekommt das Thema Nachhaltigkeit und dabei vor allem ihre menschenrechtliche Verantwortung bei diesen Unternehmen eine besondere Bedeutung.Was für den Bund gilt, soll dann auch in den Ländern umgesetzt werden.

Deutscher Nachhaltigkeitskodex gilt als Berichtsstandard

Ziel der Bundesregierung ist es dabei, den Anteil der Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes, die den Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) anwenden, zu erhöhen. Im Beteiligungsbericht der Regierung wird deutlich sichtbar, wer den DNK oder ein vergleichbares Rahmenwerk nutzt. Ab dem Wirtschaftsjahr 2018 wird darin im Kapitel Nachhaltigkeit aufgelistet, welche Firmen diese Vorgabe erfüllen – und welche die Anforderung nicht erfüllen. Augenmerk liegt auf Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung des Bundes, die international arbeiten und mehr als 500 Mitarbeiter beschäftigen.

Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex erleichtert den Einstieg in die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Das Büro Deutscher Nachhaltigkeitskodex, das vom Rat für Nachhaltige Entwicklung organisiert wird, unterstützt Unternehmen dabei ganz praktisch, wie sie den Kodex anwenden können.

Kritik von Nichtregierungsorganisationen am Aktionsplan

Entwicklungsexperten, Menschenrechtler, aber auch Gewerkschaften halten den derzeitigen Plan für nicht ausreichend. Sie werfen der Bundesregierung vor, nach einem intensiven zweijährigen Konsultationsprozess echte Vorgaben an die Unternehmen zu verwässern. Die Nichtregierungsorganisationen hätten sich mehr Verbindlichkeit und teilweise auch Sanktionen gewünscht, damit die Wirtschaft ihren Verpflichtungen nachkommt.

„Der Aktionsplan äußert zwar die Erwartung, dass Unternehmen die Menschenrechte bei ihren Auslandsgeschäften achten. Wenn Unternehmen dies ignorieren, müssen sie aber weder Bußgelder, noch Zivilklagen oder andere Konsequenzen fürchten“, sagte Bernd Bornhorst, Vorstandsvorsitzender des Dachverbands der Entwicklungsorganisationen Venro. Mit einer gemeinsamen Analyse nahmen Venro, das Forum Menschenrechte und Cora, das Netzwerk für Unternehmensverantwortung, Stellung zum Aktionsplan.

Für Bornhorst ist es beispielsweise nicht nachvollziehbar, dass Auslandsinvestoren ihre Rechte international einklagen könnten, während Opfern von Menschenrechtsverletzungen diese Möglichkeit verweigert werde. Ähnlich äußerte sich das Forum Menschenrechte. Werden die Ziele von den Unternehmen verfehlt, plädiert die Organisation für eine gesetzliche Regelung. Wichtig sei zudem eine unabhängige und transparente Überprüfung auf Grundlage robuster Kriterien, kommentierte Julia Duchrow vom Forum Menschenrechte die Veröffentlichung des Plans.

Für die Menschenrechtsbeauftragte Kofler ist der Aktionsplan nur ein Auftakt, Geschäftspraktiken zu ändern. „Jetzt kommt es darauf an, die Erwartungen weiter auszudifferenzieren und den Unternehmen Wege aufzuzeigen, wie sie die Erwartungen erfüllen können“, sagte die SPD-Politikerin.

Sie hofft, dass der Aktionsplan nicht nur bei deutschen Unternehmen Wirkung zeigt, sondern auch weltweit die Wirtschaft ihrer Sorgfaltspflicht bei der Einhaltung der Menschenrechte nachkommt. Ab 2018 will die Bundesregierung jährlich überprüfen, ob die Erwartungen an die Wirtschaft auch erfüllt wurden. Verfehlen die Unternehmen die gesetzten Ziele, könnte ein Gesetz folgen und der Kreis der angesprochenen Firmen erweitert werden.