Weckruf in New York, Konsequenzen hier: RNE ist Co-Gründer des Globalen Forums der Nachhaltigkeitsräte

Mit fünf Gipfeltreffen binnen einer Woche will die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Agenda 2030 beschleunigen. Zur Umsetzung der universellen Nachhaltigkeitsziele, für den Klimaschutz, die Weltgesundheit und die Entwicklungsfinanzierung soll mehr getan werden.

Die Vereinten Nationen (VN) warnen immer eindringlicher davor, dass die Nachhaltigkeitsziele und insbesondere die Pariser Klimaziele nicht erreicht werden, wenn nicht endlich mehr passiert. „Wir sind dabei, den Wettlauf zu verlieren“, sagte VN-Generalsekretär Antonio Guterres Mitte September in einem Interview mit dem Medienverbund Covering Climate Now. Und das ist nur ein Teil der Agenda 2030. Auch im Hinblick auf Hunger und Mangelernährung, Biodiversität, den Schutz der Ozeane und den Aufbau nachhaltiger Energie sieht es nicht besser aus. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schreiben in dem kürzlich erschienenen Global Sustainable Development Report im Auftrag der VN, die geringen Fortschritte bereiteten große Sorge: „Viel mehr muss geschehen – und zwar schnell“, heißt es in dem Bericht.

Deshalb will Guterres die jährliche VN-Generalversammlung in der letzten Septemberwoche für einen Weckruf nutzen. Einem eintägigen Klimagipfel (Climate Action Summit) folgt der erste weltweite Gesundheitsgipfel sowie das zweitägige Treffen der Staats-und Regierungschefs zur Agenda 2030, erstmalig seit diese 2015 verabschiedet worden ist. Dazu kommen ein Gipfel zur Entwicklungsfinanzierung und einer zum Samoa-Prozess, der besonders gefährdeten Inselstaaten helfen soll, sich an den Klimawandel anzupassen. Der VN-Gipfel wird weltweit von Klimastreiks und Protesten begleitet werden.

Parallel ergreifen auch Institutionen die Initiative, die weltweit in verschiedenen Ländern Regierungen beraten, um die Agenda 2030 mit ihren 17 nachhaltigen Entwicklungszielen (Sustainable Development Goals, kurz SDGs) umzusetzen. Es gibt weltweit erst wenige Nachhaltigkeitsräte oder ähnliche Gremien, die ihre Regierungen mit einem Stakeholder-Ansatz beraten. Nun schließen sie sich jetzt in einem Netzwerk zusammen, um schneller und gezielter voneinander zu lernen und zu erreichen, dass ihre Instrumente auch in anderen Ländern genutzt werden. Der Vorrat an praktischem Wissen zu wirksamen Politikansätzen, wie man Nachhaltigkeitsstrategien lokal anpasst und wichtige Akteure in der Gesellschaft erreicht, ist mittlerweile groß und ein Ideenspeicher für viele, die in ihren Ländern vorankommen wollen.

Das Global Forum for National SDG Advisory Bodies

Einen Austausch soll es etwa zu der Frage geben, wie nachhaltige Entwicklung in staatlichen Institutionen so verankert werden kann, dass es trotz wechselnder Regierungen Kontinuität im nationalen Politikzyklus der Nachhaltigkeitspolitik gibt. Außerdem soll das „Global Forum for National SDG Advisory Bodies“ genannte Gremium die Verflechtung von Politiken zwischen Ländern verbessern: Welche Auswirkungen hat eine Maßnahme zur Erreichung eines Zieles auf andere Länder und deren Entwicklungsziele? Klassisches Beispiel: Steigender Konsum von nachwachsenden Rohstoffen für nachhaltige Produkte bindet Flächen, die anderenorts für den Erhalt von Biodiversität oder die Produktion von Nahrungsmitteln benötigt werden.

Jedes Land steht zwar vor ganz eigenen Aufgaben, doch genau das soll dem Forum seine Durchschlagskraft verleihen. „Wenn wir verstehen, wo wir an einem Strang ziehen und wo wir Unterschiede haben, dann hilft das, die richtige Politik im eigenen Land zu formulieren – und es motiviert, für die SDGs einzustehen“, sagt Günther Bachmann, Generalsekretär des RNE, der das Forum mit initiiert hat.

Was ein solcher Austausch bringen kann, das zeigt der British Columbia Council for International Cooperation (BCCIC) aus Kanada auf seiner Homepage. Die Organisation hat die sogenannten Voluntary National Reviews ausgewertet, also freiwillige Berichte jener Staaten weltweit, die diese regelmäßig bei den Vereinten Nationen einreichen, um die Umsetzung der Agenda 2030 zu dokumentieren. An der Aussagekraft dieser Berichte gibt es zwar Kritik, doch der BCCIC filtert daraus positive Beispiele aus aller Welt heraus. Ein Schlüssel bei der Umsetzung der SDGs ist beispielsweise, dass die ganze Gesellschaft mitziehen muss: Politik, Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Bildungseinrichtungen. Dafür braucht es viel Dialog – beim BCCIC liest man etwa, dass Jamaika eine Vision für 2030 entworfen hat, mit öffentlichen Dialogforen für die Bürgerinnen und Bürger. In Griechenland gab es eine ähnliche Initiative mit über 10.000 Teilnehmenden.

Imme Scholz: „Druck aufrecht erhalten“

Aber was bringen solche Erfolge angesichts der Tatsache, dass immer mehr CO2 emittiert wird, die Biodiversität verloren geht, die Ungleichheit zwischen Menschen und die Müllberge immer größer werden? Diese vier Punkte nennen die Vereinten Nationen in ihrem Global Sustainable Development Report als entscheidend. „Wir müssen jetzt in der Krise des Multilateralismus die Agenda 2030 verteidigen und aufrechterhalten. Wir brauchen sie als eine positive Zielbestimmung“, sagt Imme Scholz, kommissarische Direktorin des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik und Mitglied im Rat für Nachhaltige Entwicklung. Ihr falle es angesichts der derzeitigen Entwicklung schwer, optimistisch zu bleiben, sagt sie: „Wir sind auf Kollisionskurs. Die Vereinten Nationen haben eine deutliche Ansage an die Regierungen gemacht, dass es nicht ausreicht, mit Lippenbekenntnissen weiterzumachen.“

Im Abschlussdokument für den SDG-Gipfel der Staats- und Regierungschefs, das bereits ausgearbeitet und im Netz einsehbar ist, gestehen die Staaten immerhin ein, dass sie kaum Fortschritt erzielt haben und dass die Ziele, Hunger und Armut zu beenden, in Gefahr seien. Zu konkreten Maßnahmen konnten sie sich indessen nicht durchringen, auch weil sie dem seit 2015 jährlich tagenden VN-Gremium High Level Political Forum (HLPF) kein Beschlussrecht eingeräumt haben. Das sei ein weiteres Indiz für fehlende Entschlossenheit und ‚Governance‘, merkt Bachmann an und Imme Scholz ergänzt kritisch: „Ich habe nicht das Vertrauen, dass aus der Erkenntnis auch Taten folgen. Es gibt noch nicht mal einen Zeitplan mit Zwischenzielen bis 2030“. Umso wichtiger sei es deshalb, dass sich jetzt weltweit Nachhaltigkeitsräte und ähnliche Gremien in einem Forum zusammenschließen. „Gerade in der gegenwärtigen Krise müssen wir den Druck aufrechterhalten und umso entschiedener an der Agenda 2030 weiterarbeiten“, fordert Scholz.