Ein extra Jahr für die Meeresforschung

Die Meere sind für den Menschen existentiell wichtig, doch Klimawandel und Müll bedrohen die Ökosysteme. Die UN-Entwicklungsziele fordern den Schutz der Ozeane, Forschungsministerin Wanka widmet ihnen jetzt das Wissenschaftsjahr 2016/17. Was will sie erreichen?

Können Fische schlafen? Experten mögen die Frage belächeln, aber sie spielt eine Rolle. Es ist eine der ersten Fragen rund um Meere und Ozeane, die Bürger jetzt im Internet gestellt haben. Die Antwort vorweg: Fische können zwar ihre Augen nicht zumachen, aber sie fahren den Stoffwechsel runter und ruhen. Manche Süßwasserfische suchen sich zum Beispiel ein Plätzchen am Boden oder auf Pflanzenteilen und werden gräulich bleich.

Bundesforschungsministerin Johanna Wanka, CDU, hat das Wissenschaftsjahr 2016/2017 „Meere und Ozeane. Entdecken. Nutzen. Schützen“ gestartet – mit Mitmachaktionen, Ausstellungen, Wettbewerben. Sie sagt, sie wolle in den nächsten 16 Monaten für das „größte Ökosystem der Erde sensibilisieren, das durch Klimaerwärmung, wirtschaftliche Ausbeutung und Umweltverschmutzung unter starkem ökologischem Druck steht.“ Und: Sie hat – es ist das erste seit 1993 – ein nationales Meeresforschungsprogramm angekündigt: MARE:N.

In den nächsten zehn Jahren will allein Wankas Ressort gut vier Milliarden Euro beisteuern. „Erst wenn wir den Meeresraum richtig verstanden haben, können wir ihn nachhaltig nutzen und ihn besser schützen“, sagt die Ministerin. Das Anliegen hat weltweit Gewicht. Die G7-Staatschefs haben sich im vergangenen Jahr zu einem Aktionsplan zum „Schutz der Meeresumwelt“ bekannt. 

Auch die Agenda 2030 der Vereinten Nationen fordert einen neuen Umgang mit dem Ökosystem, denn Nummer 14 der Sustainable Development Goals, SDGs, trägt den Titel: „Die Ozeane, Meere und marinen Ressourcen im Sinne nachhaltiger Entwicklung erhalten und nachhaltig nutzen.“

Nur 0,01 Prozent erforscht

Bislang ist zu großen Teilen unklar, was sich in den Tiefen der Meere abspielt. „Noch nicht einmal 0,01 Prozent des Meeresbodens sind erforscht“, sagt die Bremer Tiefseeforscherin Antje Boetius. Die Professorin leitet die Initiative Wissenschaft im Dialog, die das Wissenschaftsjahr mit ausrichtet. „Sicher ist aber: Es gibt wertvolle Ressourcen dort unten – nicht nur Erdgas und Metalle, sondern vor allem eine fantastische Lebensvielfalt.“

Der Sauerstoff für jeden zweiten Atemzug wird vom Meer produziert, meint darüber hinaus Professor Ulrich Bathmann vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung in Warnemünde. Er ist Vorsitzender des Konsortiums Deutsche Meeresforschung. Der Zusammenschluss aller großen deutschen Forschungseinrichtungen auf den Gebieten der Meeres-, Polar- oder Küstenforschung begleitet das Wissenschaftsjahr fachlich. 

Die Meere liegen als Sauerstofflieferanten noch vor den Regenwäldern. In den oberen Wasserschichten erzeugen mikroskopisch kleine Algen und Bakterien so viel Sauerstoff wie sämtliche Landpflanzen zusammen, erklären die Experten des Wissenschaftsjahres. Sie listen beeindruckende Fakten auf.

Fischmägen mit Plastik

Die Ozeane haben in den letzten 150 Jahren rund die Hälfte der vom Menschen verursachten Kohlendioxid-Ausstöße aufgenommen. Rund 45.000 Handelsschiffe sind derzeit auf den Ozeanen unterwegs, die mehr als zwei Drittel des gesamten Frachtaufkommens weltweit transportieren. Und allein jeder Deutsche isst im Schnitt 14 Kilo Fisch pro Jahr. Rund zehn Prozent der Weltbevölkerung sind in der Produktionskette der Fischerei-Industrie, bei Fang, Transport, Verkauf, beschäftigt. Der Mensch ist vom Meer abhängig – und belastet es.

„In den Mägen aller Fischarten, die wir in der Nordsee kennen, ist Plastik nachgewiesen worden“, sagt Wanka zum Beispiel. So können Kunststoffpartikel auch in die Nahrungskette gelangen. Schon Anfang des Jahres warnten Experten, dass bis zur Mitte des Jahrhunderts vom Gewicht her mehr Plastik als Fisch in den Ozeanen schwimmen könnte – wenn sich nichts tut.

Wanka macht die Vermüllung zu einem zentralen Forschungsthema im Wissenschaftsjahr. Sie will mit 28 Millionen Euro im Jahr jetzt extra Forschungsprojekte fördern, in denen die Wege des Plastiks von der Produktion bis zum Auftauchen in den Weltmeeren untersucht werden.