Briten planen Verbot von Mikroplastik

Die Kunststoffteilchen stecken in vielen Kosmetik- und Haushaltsartikeln. Großbritannien will sie nun verbieten. Deutschland setzt auf freiwillige Vereinbarungen mit den Herstellern.

Bis Ende 2017 soll Mikroplastik in Kosmetikartikeln in Großbritannien verboten werden. So lautet ein Beschluss des britischen Umweltprüfungsausschusses. „Zigtausende kleinster Plastikteilchen sammeln sich in den Weltmeeren, in Seen und Flüssen an. Sie schaden den Meereslebewesen und gelangen in die Nahrungskette“, erklärt die Vorsitzende des Ausschusses, Mary Creagh. „Um das Verschmutzungsproblem zu verringern, muss auf Mikroplastik in Körperpeelings, Duschgelen oder Zahnpasta verzichtet werden.“ Bereits mit jedem Duschen würden etwa 100.000 Plastikteilchen ins Wasser gespült. Allein in Großbritannien landeten jedes Jahr rund 86 Tonnen dieser Stoffe, die für Körperpeelings verwendet werden, in der Umwelt.
Etliche Hersteller haben bereits angekündigt, spätestens bis 2020 auf Alternativen umzusteigen. Allerdings glaubt Creagh nicht, dass freiwillige Zusagen ausreichen. „Wir brauchen ein Verbot, am besten auf internationaler Ebene, da Verschmutzung nicht vor Grenzen Halt macht.“ Nach dem Votum der Briten, die EU zu verlassen, dürfte dies jedoch schwieriger werden. Dies ist auch den Abgeordneten bewusst. Daher fordert der Prüfungsausschuss Premierministerin Theresa May auf, ein nationales Verbot auf den Weg zu bringen.
Sollte ein Gesetz scheitern, sprechen sich die Parlamentarier für eine deutliche Kennzeichnung der Produkte aus. „Die meisten Menschen werden entsetzt sein, wenn sie herausfinden, dass ihre Schönheitsprodukte diese hässliche Umweltverschmutzung verursachen“, sagt Creagh. „Die Kosmetikhersteller müssen Verbraucher darüber informieren, dass diese Produkte Plastik enthalten.“ 
Gesundheitliche Folgen nicht abschätzbar
Peelings, Duschgel, Make-up: Die Liste der Produkte, in denen die Kunststoffteilchen auftauchen, ist lang. Sie sollen die Artikel haltbarer, stabiler und auch preiswerter machen. Mit Mikroplastik werden beispielsweise Tuben aufgefüllt und somit deren Inhalt „gestreckt“. Auch in Wasch- und Putzmitteln können die Kunststoffteilchen auftauchen. Welche Stoffe unter den Begriff Mikroplastik fallen, hängt von der chemischen Zusammensetzung und von der Größe der Teilchen ab. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) hat eine detaillierte Liste mit Bezeichnungen veröffentlicht, anhand derer Verbraucher diese Stoffe auf der Inhaltsliste der Produkte erkennen können. Die gängigsten Chemikalien sind etwa Polyethylen oder Polypropylen.
Stephanie Adler, wissenschaftliche Referentin in der Geschäftsstelle des Rates für Nachhaltige Entwicklung (RNE), fehlt vielfach noch das Bewusstsein darüber, wo Mikroplastik verwendet wird, wie es entsteht und welche Auswirkungen dessen Verwendung hat. „Es gibt kaum Langzeitstudien, die die gesundheitlichen Folgen für den Menschen beleuchten“, sagt Adler. Wie die Vorsitzende des britischen Umweltprüfungsausschusses Creagh plädiert auch Adler für eine eindeutige Kennzeichnung der Produkte und besser noch für ein umfassendes Verbot von Mikroplastik in den Produkten. „Hier sind die Hersteller gefordert“, sagt sie.
Bundesregierung setzt auf freiwillige Vereinbarungen
Eine eindeutige Deklarierungspflicht für die Hersteller gibt es in Deutschland bisher nicht. Auch die europäische Kosmetik-Verordnung sieht derzeit keine Regulierung dieser Stoffe vor. Das liegt auch daran, dass es bisher nur wenig Forschung gibt. Nadja Ziebarth vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) begrüßt den Vorstoß der Briten, ist aber skeptisch, ob sich ähnliches auch in Deutschland umsetzen lässt. „Die Bundesregierung setzt derzeit nur auf freiwillige Vereinbarungen mit den Herstellern“, sagt die Expertin für Meeresschutz. Auch auf EU-Ebene sieht sie derzeit wenig Bereitschaft, strengere Regeln zu vereinbaren. Nur aus Frankreich und den Niederlanden gebe es Signale, sich für solche Maßnahmen stark zu machen.
Dabei wäre ein Verbot der Stoffe ein wichtiger Schritt, um Müll in Gewässern und in den Ozeanen zu reduzieren. „Plastikreste findet man heute in Muscheln, Würmern, Krebstieren, Fischen und sogar in Seehunden. Die Tiere schlucken den gefährlichen Giftcocktail“, sagt Ziebarth. Die Auswirkungen auf die Gesundheit der Tiere sind erheblich – und damit auch auf das gesamte Öko-System.
Bundesregierung fördert Forschungsprojekte
Schätzungen zufolge bergen die Weltmeere 100 bis 140 Millionen Tonnen an Abfällen. Der gefundene Müll in Nord- und Ostsee besteht zu rund zwei Dritteln aus Kunststoffen. Bis das Plastik vollständig zersetzt ist, vergehen Wissenschaftlern zufolge Jahrhunderte. Da die wissenschaftliche Datenlage über die Folgen dünn ist, fördert die Bundesregierung derzeit Forschungsprojekte zum Thema Mikroplastik. Dazu gehört unter anderem die europäische Forschungsinitiative JPI Oceans, an der neben Deutschland neun weitere EU-Staaten beteiligt sind.
Das Ministerium unterstützt das Projekt mit rund sieben Millionen Euro. Zudem wurde ein „Runder Tisch Meeresmüll“ eingeführt. Dieser tagte erstmals im März und wurde vom Bundesumweltministerium, vom Umweltbundesamt und vom Land Niedersachsen initiiert. Teilnehmende sind Vertreter aus Fischerei und Schifffahrt, der Kunststoffindustrie, dem Abwassermanagement, der Kosmetik- und Reifenindustrie, dem Einzelhandel und Tourismus. Hinzu kommen Wissenschaftler, Vertreter der Landes-, Bundes-, und Kommunalbehörden, von Umweltverbänden sowie Künstler.